Abkantpressen machen Blech krumm
Auf Abkantpressen werden glatte Metalltafeln zu ein- oder mehrfach gefalzten Profilen verarbeitet. Das Blech wird dabei stets quer zur Falzrichtung in die Maschine geschoben. Mit einem schrittweisen Biegen kann der vormals ebenen Blechtafel eine komplexe Struktur gegeben werden. Einfach gekantete Bleche kommen in der Bautechnik häufig zum Einsatz. Von Stahlwinkeln in verschiedenen Grössen bis zu Kantblechen im Dach- oder Fassadenbau sind gekantete Bleche in der Bautechnik weit verbreitet. Im Dach- und Fassadenbau werden Kantbleche besonders zum Anschluss von Sandwichplatten eingesetzt. Der Schaltschrankbau und der Automobilbau haben ebenfalls einen hohen Bedarf an Kantblechen. Ebenso wird bei der Fertigung von Stahlregalen auf gekantete Bleche zurückgegriffen. Karosseriewerkstätten verfügen standardmässig über kleine, manuell betätigte Abkantpressen. Auf diesen fertigen sie Reparaturbleche zum Instandsetzen von Karosserien nach Rost- oder Unfallschäden.
Es gibt jedoch auch Anwendungsfälle, in denen auch sehr dickwandige Bleche auf Abkantpressen verarbeitet werden. Der Schiffbau, der Reaktorbau und auch die künstlerische Bildhauerei haben Bedarf an mehreren Zentimeter dicken Blechen, welche in einer bestimmten Weise gekantet werden. Ein berühmtes Beispiel dafür sind die Skulpturen des gegenwärtig höchstbezahlten Bildhauers Richard Serra. Dieser weltbekannte Künstler lässt seine riesigen Stahlskulpturen, welche stets aus gekanteten Dickblechen bestehen, von einem Schlossereifachbetrieb aus der deutschen Stadt Siegen fertigen. Dazu hat der Betrieb eigens eine ausgemusterte Abkantpresse aus Frankreich angeschafft, auf der vorher Bleche für den U-Boot-Bau hergestellt wurden.
Konstruktiv sind Abkantpressen recht einfach aufgebaute Maschinen. Sie bestehen im Wesentlichen aus einem Tisch, auf den die Tafeln aufgelegt werden, welcher an einer Seite das Kantwerkzeug bereit hält. Dieses Werkzeug ist zweiteilig. Die untere Seite besteht aus einer Nut, welche im Fachjargon als „Matrize“ bezeichnet wird. Die Oberseite des Werkzeugs ist keilförmig gestaltet und passt genau in die Matrize. Die Fachbezeichnung des Keils ist „Biegestempel“. Das Blech wird bis zur gewünschten Stelle in das Werkzeug eingeschoben. Anschliessend wird der Biegevorgang ausgelöst. Dieser geht bei Sonderprodukten stets sehr langsam vonstatten. Je nachdem, wie tief Biegestempel und Matratze ineinander fahren, desto stärker wird das eingeschobene Blech verbogen. Biegestempel und Matrizen geben, je nach Ausführung, verschiedene Biegegrade vor. Diese können zwischen 120° und 25° liegen. Die Biegewerkzeuge sind bei Abkantpressen austauschbar, sodass auf der gleichen Maschine eine grosse Bandbreite an Bearbeitungsmöglichkeiten besteht.
Kleine Handkantbänke haben jedoch meist nur eine einfache Falzvorrichtung, welche ein Blech über einen Winkel von maximal 90° biegen kann.
Maschinelle Abkantpressen, wie sie in der Industrie für Sonderprodukte eingesetzt werden, sind zumeist recht grosse Maschinen. Sie bestehen aus einem Maschinenträger-Grundgestell, einer Steuerung und einem elektrohydraulischen Antrieb. Das Grundgestell besteht aus einer Schweisskonstruktion oder aus einem Grauguss-Monolith. Je nach Grösse der Abkantpresse werden für ihren Betrieb massive Betonfundamente notwendig.
Abkantautomaten für die Serienfertigung kommen meist bei kleinteiligen Produkten wie Winkeln oder Rahmenteilen zum Einsatz. Das auf ihnen verarbeitete Metall ist meist weich und dünn ausgewalzt. Diese Abkantpressen arbeiten mechanisch, elektrohydraulisch oder pneumatisch. Pneumatische Lösungen werden bevorzugt, da diese am schnellsten sind und damit die höchsten Durchsätze erzielen können.
Manuell betriebene Kantbänke verfügen heute über umfangreiche Sicherheitssysteme. Mit Hilfe von Lichtschranken und Sperren soll verhindert werden, dass ein Arbeiter mit einer Hand in den Kantprozess gerät. Bis vor wenigen Jahren wurden dazu auch Zweihand-Systeme eingesetzt. Mit diesen konnte der Kantprozess erst durch das Betätigen von zwei Tastern ausgelöst werden. Von dieser Lösung ist man jedoch wieder abgekommen, da diese häufig umgangen wurde. Teilweise aus Bequemlichkeit oder um in einer Serienfertigung einen höheren Durchsatz zu erreichen, wurden die Zweihand-Sicherheitsschalter manipuliert oder umgangen. Darum setzt man heute auf Laser- und Absperrtechniken, um die Sicherheit an Abkantpressen gewährleisten zu können.
Abkantpressen sind robuste und langlebige Maschinen. Regelmässig gewartet und nur innerhalb ihrer zulässigen Toleranzen eingesetzt, kann eine Abkantpresse jahrzehntelang betrieben werden. Zur regelmässigen Wartung gehört besonders bei grossen Abkantpressen eine turnusmässige gründliche Vermessung. Die Führung von Stempel und Matritze muss diese beiden Werkzeughälften stets absolut exakt aufeinander führen. Ist dies nicht mehr gewährleistet, ist eine Abkantpresse nicht mehr verwendbar. Das Tauschen der Führungen ist meistens sehr aufwändig, was eine vollständige Zerlegung der Maschine notwendig macht. Dies macht die Instandsetzung einer Abkantpresse mit einer ausgeschlagenen Führung meist unwirtschaftlich. Schäden dieser Art entstehen aber in der Regel nur, wenn die Presse beim Transportieren unsanft anschlägt oder wenn dauerhaft zu dicke oder zu biegesteife Materialien auf ihr verarbeitet werden. Ausgeschlagene Führungen sind bei jüngeren Maschinen deshalb auch ein Indiz für einen unsachgemässen Umgang mit ihr. Von einem Gebrauchtkauf sollte deshalb weitestgehend abgesehen werden. Lediglich als Ersatzteillager für baugleiche Abkantpressen wäre ein Kauf einer solchen Maschine noch zu verantworten.
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